Jugendchor Österreich 2017 FARBEN.Licht – Rückblick
Der nationale Auswahlchor Jugendchor Österreich (JCÖ) präsentierte 2017 zwei besondere Konzerte unter dem Titel „FARBEN.Licht“ Am 22. Juli 2017 fand das erste im Lisztzentrum Raiding statt, am 11. November 2017 trat der Chor im RadioKulturhaus Wien auf.
Bereits zum dritten Mal fand das einzigartige österreichübergreifende Projekt statt. Christian Dreo und Andreas Salzbrunn als Chorleiter beschäftigten sich dieses Jahr mit dem Konzept Farben und Licht mit Musik zu kombinieren. Dies gelang durch die Stückauswahl (unter anderem vier Uraufführungen Burgenländischer Komponisten), sowie durch Lichtdesign von Georg Stadelmann.

Töne – Farben – Licht – Klang
Unsere Wahrnehmung basiert auf Schwingung. Was wir sehen und hören, ist Schwingung. So wie der Kammerton a‘ 440 Hertz hat, das sind 440 Schwingungen pro Sekunde (wie auch jeder andere Ton, den wir hören, eine ganz bestimmte Frequenz hat), so hat auch jede Farbe einen ganz bestimmten Wellenbereich. Viele tausendmal schneller als im Hörbereich. Und trotzdem: Farbe ist Schwingung. Und – beide, Töne wie Farben, haben eine Beziehung zueinander.
Verdoppeln wir z. B. die 440 Hz des Kammertones, ergibt das wieder denTon a. Allerdings eine Oktave höher, also a‘‘ (das sogenannte zweigestrichene a) mit 880 Hz. Dieses Verdoppeln ist beliebig fortsetzbar. Uneingeschränkt. Aber! Mehr als maximal 5.000 Schwingungen pro Sekunde sind nicht mehr als genau bestimmbare Töne hörbar. Nur mehr als KlangFARBE. Was entsteht also, wenn wir aus dem Hörbereich gehen und weiter „oktavieren“? Wir kommen irgendwann in den sichtbaren Wellenbereich, wir sehen Farben…
Trockene Materie als Geleitwort? Nein, es soll ein Anhaltspunkt sein, ein Ausgangspunkt, der zeigen soll, dass es eine Verbindung gibt zwischen Hören und Sehen. Und kann als Erklärung dienen, warum manche Menschen beim Musikhören Farben sehen können. Sie spüren die Resonanz zwischen Klang und Farbe. Sie sehen den Ton a als gelb-orange.
Tatsächlich. Denn der Ton a behält seine ganz spezifische Qualität, egal, ob er hoch oder tief gesungen wird. Und so hat er auch seine ganz spezifische Qualität im Farbbereich – eben gelb-orange.
Tagtäglich hören wir Musik, sehen tausende Bilder. Diese Eindrücke erleben wir unbewusst. Wir denken nicht nach über Schwingungen, Frequenzbereiche, Relationen. Diese Zusammenhänge bewusst zu machen, einmal tiefer zu gehen, war der Anlass, das Thema FARBEN.Licht für das heutige Konzert auszusuchen. Dass wir dabei nur an der Oberfläche kratzen und die Tiefe und Schönheit dieses Themas nur streifen können, liegt in der Natur dieser so einfachen und zugleich höchst komplizierten Sache.
Es ist ein Beginn, ein Versuch, Musik mit Farbe zu kombinieren. Außerhalb esoterischer Zirkel. Noch gibt es zu wenig Erfahrung auf diesem Gebiet. Vorallem für Komponisten. Wie schreibe ich Musik, in der die Farbqualität eine genauso wichtige Rolle spielt wie ein sinnvoller Text, eine singbare Melodie, eine berührende Harmonik, ein packender Rhythmus? Wie kann man diese optische Komponente im Konzertsaal umsetzen? Und – ist es überhaupt sinnvoll?
Zumindest der letzte Punkt, die Sinnfrage, wird täglich bejaht. Jedes Popkonzert, jede Show auf der Bühne oder am Bildschirm lebt von der „Lightshow“, der Lichtgestaltung. Der LICHTgestaltung.
Farbe und Licht bedingen einander. Ohne Licht keine Farben – ohne Farben kein Licht. Dunkelheit ergibt nur Schatten, Schemen, Umrisse. Licht bringt Farbe, Klarheit, Weitsicht. Sogar unsere Sprache verrät es – durch die Vokale: Dunkelheit – Unterwelt, Licht – Himmel. So war und ist Licht immer ein Synonym für Freudiges, Hoffnung, Zuversicht. Verständlich, dass in der Chorliteratur über Jahrhunderte hinweg Kompositionen entstanden, die mit dieser Thematik Erhellendes, Schönes darstellen wollten.
Diese für unser Programm zu finden war nicht schwer. Vom gregorianischen Choral („Lux fulgebit hodie super nos“ – „Ein Licht strahlt heute über uns aus“) über die Lieder Hildegard v. Bingens („O nobilissima viriditas“ – es wird die in der Sonne verwurzelte „Grünkraft“ – Lebenskraft – verehrt) bis hin zu den modernen Vertonungen alter Texte („Lux aurumque“, „O nata lux“) gibt es zum Thema Licht genügend. Komplizierter ist es bei den Farben.
Man muss lange suchen, um Chorwerke zu entdecken, die sich damit beschäftigen – oder wenigstens einen Anknüpfungspunkt haben. Selbst in der Poesie ist es schwierig, geeignete Texte zu finden. Farbe dürfte so allgegenwärtig sein, dass man sich nicht besonders damit auseinander setzt. Obwohl sie prägt, Stimmungen erzeugt, den Menschen beeinflusst – ob es ihm bewusst ist oder nicht. Die Werbung weiß um den Einfluss richtig gewählter Farbe…
Es sind Jugendliche aus ganz Österreich, die sich mit mir mit diesem Thema beschäftigen. Der Jugendchor Österreich stellt die Speerspitze der Jugendförderung aller österreichischer Chorverbände und Sängerbünde dar. Er setzt sich zusammen aus jeweils vier Sängerinnen und Sängern der einzelnen Landesjugendchöre, trifft sich einmal im Jahr zu einer intensiven Probenwoche und krönt seine Arbeit mit zwei Konzerten. Zwei Konzerte, die etwas Besonderes sein sollen. Nicht nur ein Absingen schönster Chorliteratur, sondern auch beispielgebend in seiner Ausrichtung, in seinem Programm, in seinem Schwerpunkt – und bei seinem Engagement für neue Chormusik.
Denn eines seiner wichtigsten Anliegen ist es, Komponisten dazu anzuregen, Neues für den klangschönsten, anspruchsvollsten und am tiefsten gehenden Klangkörper, den es auf musikalischem Gebiet gibt (meine persönliche und damit subjektive Meinung), zu schaffen – den Chor. Mit dem heutigen Konzert beweist es sich, dass dieses Impulsgeben, dieses Anstoßen, Früchte trägt. Und es zeigt, dass ein kleines Bundesland wie Burgenland Potential hat. Vier Komponisten – vier Uraufführungen. Ein Beispiel, wie fruchtbringend Projekte wie dieses Konzert des JCÖ sein können.
Wie oben angedeutet ist die Umsetzung, das Ergänzen der Musik mit Lichteffekten eine Herausforderung. Den tieferen Zusammenhang von Musik und Farbe auszuloten kann nur ein erstes Versuchen sein. Dass dieses Experiment gewagt werden kann, ist der heute verwendeten Lichttechnik und besonders deren Gestaltung zu verdanken.
© Heinrich Winkler © Heinrich Winkler © Heinrich Winkler © Heinrich Winkler © Heinrich Winkler © Heinrich Winkler © Daniel Willinger © Daniel Willinger
Berichte und Downloads
Ankündigung Bezirksblätter (Juli 2017)

